Donnerstag, 6. März 2008

Ist das jetzt parteifeindlich?

Vom scheinheiligen Umgang mit Begriffen

von Reinhard Heinrich
Wenn einer treffende Begriffe wählt, so will er wohl treffen. Wen trifft nun der Begriff "linke Stadt-Schrifttumskammer"?
"Die Reichsschrifttumskammer sollte der 'Freihaltung des Schrifttums von ungeeigneten und unzuverlässigen Elementen' dienen." - So charakterisiert das Deutsche Historische Museum heute die Aufgabe jener Einrichtung, die unter anderem einem Erich Kästner 1933 die Aufnahme verwehrte. Eine Säuberungsanstalt also, die Lizenznummern für genehme Autoren erteilte. Verstöße gegen die herrschende Ideologie waren ein Hauptgrund, als Feind betrachtet zu werden.
Wer sich heute wie eine Schrifttumskammer verhält, verdient auch so genannt zu werden. Diffamierung, Verleumdung, Restriktion, Ausgrenzung und Verbot waren bewährte Mittel solcher Einrichtungen - bewährt bis 1989 - na ja, nicht ganz vielleicht.


Das Diffamieren oder Verbieten einer Zeitung ist gewiss nicht mit dem Verbrennen von Büchern zu vergleichen. Der "Sputnik" z.B. wurde in der DDR nie öffentlich verbrannt. Er wurde nicht einmal offiziell verboten. Es gab ihn einfach nicht mehr. Und wer ihn sich im "befreundeten Ausland" besorgte - in Prag zum Beispiel gab es ihn nach wie vor auf deutsch - der machte sich der politischen Unzuverlässigkeit verdächtig. Das hieß konkret, in die alle Menschen umfassende Liebe des Ministers für Staatssicherheit eingeschlossen zu werden. Man genoss die "besondere Aufmerksamkeit" der "zuständigen Organe" - wenn nicht gar deren "besondere Aufmerksamkeiten".
Eigentlich ist es egal, wie man Leute nennt, die sich ermächtigt glauben, Publikationsverbote zu erlassen. Ob Schrifttumskammer, Abnahmekommission oder Zensurbehörde. Wichtig ist, daß man ihnen sagt: "Man kann einen Gedanken nicht dadurch besiegen, daß man ihm die Teilnahme am Wettkampf verbietet." Der Aphoristiker Gabriel Laub, von dem dieser Satz stammt, hatte als Jude seine Erfahrungen 1939 in Bochnia (Polen) mit den deutschen Nazis gemacht, durfte nach der Flucht in die Sowjetunion die "Einheit und Reinheit der Weltanschauung" in der Internierung pflegen und ging 1946 nach Prag, wo er folgerichtig 1968 durch leichtfertige Veröffentlichungen "parteifeindlicher Tatsachen" in Widerspruch zur "Avantgarde" geriet und vorsichtshalber nach Hamburg ging, wo er hinfort ungehindert "staats- und parteifeindliche" Aphorismen schreiben konnte, wie es ihm beliebte.
(Zum Interview mit Gabriel Laub)
Wenn nun ein Stadtvorstand einer Partei sich auf die Zusammenarbeit mit "geeigneten und zuverlässigen" Elementen beschränken möchte, so sei ihm das von Herzen vergönnt. Bis Oktober 1989 war das auch bewährte und zukunftsweisende Strategie einer revolutionären Kampfpartei in der DDR. Diese Zukunft endet dann abrupt im November '89 und verwandelte sich über Nacht zu Vergangenheit, mit der viele nie etwas zu tun gehabt haben wollten. Das wünschen wir natürlich keiner Partei. Aber verhindern können es nur Menschen, die man mitarbeiten läßt.

Die Ausgegrenzten stehen zunächst hilflos bedauernd am Rande - der manchmal über Nacht zum Zentrum wird. Aber das ist eine neue Geschichte.