Samstag, 2. April 2011

Der Klügere gibt nach, der Dümmere macht weiter

“Unser herrschender Marxismus fürchtet leider jeden Gedankenflug wie ein alter Gichtonkel”
- Rosa Luxemburg, 1913


Der Klügere gibt nach, der Dümmere macht weiter
von Esther Vilar (1987)
Esther Vilar
... In diesem Sieg der Intelligenz war auch bereits ihre Niederlage enthalten. Am Anfang jeder Initiative, die zur Entmachtung der Phantasielosigkeit führt - Revolu­tion -, müssen notgedrungen phantasievolle Menschen - Revolutionäre - stehen. Nur sie können sich ja in die Geächteten hineindenken. Nur sie haben genügend Vorstel­lungskraft, um sich etwa die durch Zerstörung der Natur, radioaktive Verseuchung, Überbevölkerung oder Zusam­menbruch der Weltwirtschaft zu erwartenden Verheerungen auszumalen.

Doch nach dem Anfang folgt immer auch bald das Ende ihrer Führerschaft. Sobald nämlich eine dieser von ihnen begründeten »Bewegungen« ihre ersten Schwierigkeiten hinter sich läßt und so viel Zulauf findet, daß plötzlich in unserer Gesellschaft eine neue Machtposition entsteht, wird der Phantasievolle der ersten Stunde durch eine jener Personen vertrieben, die, wie wir sahen, ihre Beharrlichkeit, ihr Fleiß und ihr Selbstbewußtsein dazu prädestinieren, einflußreiche Posten an sich zu bringen und zu behalten. Die Berufung des Revolutionärs wird zum Beruf des Funk­tionärs - das weitere Schicksal der Idee ist durch Intelligenz nur noch ausnahmsweise zu beeinflussen.