Freie Presse, vom 11. September 2007
"Die Spaltung geht mitten durch die Partei" - Zwei Fraktionen und eine zerstrittene Linkspartei in Dresden -
Ramelow soll als Moderator fungieren
Von Hubert Kemper
Dresden. Die Dresdner Linkspartei bleibt auch nach einem "Vereinigungsparteitag" tief gespalten. Stadtverbandschef Hans-Jürgen Muskulus, der zu der Gruppe der Fundamentalisten gerechnet wird, wurde mit hauchdünner Mehrheit von 52,2 Prozent in seinem Amt bestätigt. Dresden ist mit 1600 Mitgliedern der größte Stadtverband der Linkspartei, anwesend waren lediglich 350 Mitglieder.
Die Krise war eskaliert, nachdem vor einigen Wochen sieben Stadträte aus der Linksfraktion/PDS ausgetreten waren. Sie streben unter dem Namen "Die Linke" einen Fraktionsstatus an. Die deutschlandweit einmalige Konstellation, unter dem Dach einer Partei zwei Fraktionen zuzulassen, lässt die Stadt derzeit durch ein Rechtsgutachten prüfen. Auslöser der Spaltung war der Verkauf der städtischen Woba an einen US-Fonds. Dresden ist seitdem schuldenfrei und hat großen finanziellen Spielraum auch für soziale Ausgaben. Der Verkauf, der in der heutigen Finanzkrise nicht mehr möglich wäre, wird auch von der Bundesspitze der Partei aus prinzipiellen Gründen abgelehnt. Die sieben ausgetretenen Stadträte bauen auf eine schmale Mehrheit, die ihre Abgeordneten an die Kette der Partei binden wollen. Als Voraussetzung für eine "Wiedervereinigung" sollen sie erklären, bei der nächsten Stadtratswahl nicht auf einer eigenen Liste zu kandidieren und nicht gegen Dezernenten antreten, die von der Partei vorgeschlagen werden.
Fraktionschef Ralf Lunau lehnt solche Erklärungen als "undemokratisch und verfassungswidrig" ab. 1999 hatte Lunau als Parteiloser für die PDS kandidiert. "Damals war die Partei stolz, Fachkompetenz von außen zu holen, heute wird das fast als Makel betrachtet", resümiert er. Die Spaltung gehe "mitten durch die Partei", glaubt Lunau. Er schlägt Bodo Ramelow als Mitglied des Bundesvorstandes als Moderator vor.
Verhandlungen, die zu einem Ende der Spaltung führen sollen, müssten "auf einer Augenhöhe" geführt werden. Stadtverbandschef Muskulus und die aus seiner Fraktion ausgetretenen Stadträte hätten die ausgestreckte Hand zu einer Verständigung ausgeschlagen. In der Linkspartei und bei deren Landesvorsitzender Cornelia Ernst ist die Sorge groß, dass die Dresdner Krise auf andere Ortsverbände übergreifen könnte. Im Gegensatz zum Sachsen-Trend ist Dresden bei Meinungsumfragen stark abgefallen.