Freitag, 16. November 2012

Fünf Jahre IDS

Eine Rede (21.September 2012 - Auszüge)


„Wenn man nicht nach Bequemlichkeit strebt, aus dem Bestehenden nicht das Beste heraus holen, nicht die beste Position einnehmen will, WARUM sollte man da kämpfen?“ fragte einst ein Bertold Brecht.


Vor fünf Jahren haben wir die IDS, also eine Initiative für Demokratischen Sozialismus gegründet. Damals war die Partei in Dresden, aber auch darüber hinaus in eine Krise gekommen. Nach vielen erfolgreichen Jahren waren scheinbar jäh und unvorhergesehen Widersprüche aufgebrochen. Es war nun nicht so, dass es auch nicht vorher unterschiedliche Auffassungen der gegeben hätte. Neu war aber, dass zunehmend eine Härte in die Auseinandersetzung gekommen war, die eine Gemeinsamkeit unmöglich zu machen drohte. Eine Unkultur war entstanden, wie sie uns aus der Geschichte der sozialistischen Bewegung durchaus bekannt war. 

Bernd Rump 2012
Wir hatten lange in den Jahren nach 1989 geglaubt, diese Seite sei ein für allemal verschwunden, jener von uns so genannte Demokratische Sozialismus sei gewissermaßen immun gegen die alte Krankheit. Aber nun war sie wieder da und unsere Gründung sollte eigentlich nichts anderes bedeuten, als eine Rückbesinnung auf das Eigentliche, auf den Impuls des Jahres 89. Hin zum Grund dafür, dass wir damals nicht einfach aufgehört hatten, sondern warum es denn überhaupt gelungen war, eine Partei wie die PDS trotz aller Gegnerschaft und scheinbar wider dem gesunden Menschenverstand zu verankern. Jedenfalls im Osten.

Das Beste herausholen. Auch nach einer Niederlage, die man durchaus eine welthistorische nennen kann: eine Niederlage des Weges, den man proletarische Diktatur nannte – und der wohl als Stalinismus in die Geschichte eingegangen ist und Geschichte ist. Nun also Demokratischer Sozialismus. Für uns aus der SED Kommenden eigentlich ein fragwürdiger Begriff, verbunden mit wirklichen und vermeintlichen Renegaten, mit Bernstein, Sozialdemokratie, Godesberger Programm. Später ein bisschen mit dem Luxemburgzitat gewürzt von der Freiheit der Andersdenkenden. Theoretisch ein Mischmasch – aber es ging ja nicht um Theorie sondern um einen Namen für einen Inhalt, der selbst nicht so klar war, wie später oft behauptet wurde. Und die Frage ist, ob er der Partei je klar geworden ist –

Aber was war mit der Namensgebung „Initiative für einen Demokratischen Sozialismus“ gemeint? Ich zitiere aus der Gründungserklärung von 2007:


„1. Mit der  Initiative demokratischer Sozialismus wollen wir Politik auf der Basis von Demokratisierung, Pluralismus und Partizipation gestalten. Dabei geht es uns nicht um eine Politik die platt Nein sagt, sondern um konstruktive Politik, die  einen Gestaltungsanspruch auf der Basis des pluralistischen Verständnisses der Gesellschaft erhebt. Die Initiative Demokratischer Sozialismus erhebt den Anspruch auf demokratische Partizipation am Willensbildungsprozess. Unser Ziel ist die Weiterführung des demokratisch-sozialistischen Denkens.

2. Die Initiative demokratischer Sozialismus setzt sich für die Wiederherstellung und Entwicklung der inneren Kultur der Partei ein. Das derzeitige Bild der Partei in Dresden ist geprägt von   Schuldzuweisungen, einer dramatisierenden Darstellung von Nichtigkeiten und Meinungsverschiedenheiten. Es erfolgt eine systematische  Verdrängung von Andersdenkenden. Daraus resultiert die Abnahme von Gestaltungskraft und Handlungsfähigkeit aus der politischen Verantwortung und der Partei selbst.

3.  Die Initiative demokratischer Sozialismus will die sachliche, politische Arbeit voranbringen, indem wir Veranstaltungen und Diskussionen organisieren und durchführen. Es geht uns sowohl um Programm als auch um die politische Praxis der Linken,

Wenn wir auf diese fünf Jahre seit unserer Gründung sehen, dann haben wir dafür eine Menge getan. 

Es ist eine ordentliche Liste unserer öffentlichen Aktivitäten zu lesen: Politikverständnis, Kommunalpolitik, Programmdiskussion, Sozial-ökologischer Umbau, Energiepolitik, Finanzkrise waren immer wiederkehrende Themen. Wir haben interessante Leute zu unseren Treffen eingeladen, wir hatten dabei keine Berührungsängste, wir haben zu vielen Dingen auch unterschiedliche Auffassungen und halten diese sogar miteinander aus

Genauso wichtig ist freilich, wie wenig es uns dabei gelungen ist, in diese Partei hinein zu wirken. Die politische Kultur in der Partei haben wir wohl nicht verändert. Indem wir uns gegen die zunehmend um sich greifende Praxis stellten, wurden wir selbst gefährlich und wider der Wahrheit waren wir plötzlich in den Augen der Mehrheit die Woba-Verkäufer, die Verräter usw. Die neue Führung von damals tat alles, um uns los zu werden – es ist nicht gelungen. Allerdings ist es ihnen schon "gelungen", viele von uns los zu werden. Manche davon sind wenigstens noch bei uns, die Meisten nicht. Natürlich ist das schade, aber es ist ja die freie Entscheidung eines jeden, wann er einen Punkt macht. Den eigentlichen Schaden aber trägt die Partei davon.

Es ist immer richtig, eine Sache auch unter dem Aspekt einer möglichen Scheiterns zu betrachten. 


Für manche ist die Partei gescheitert, für manche ist auch unsere kleine Truppe hier gescheitert. Für manche ist der Sozialismus überhaupt gescheitert. Und an allem davon ist etwas Richtiges. Aber wie dem auch immer sei: wir haben über diese fünf Jahre auch noch etwas anderes bewiesen: dass es möglich ist, die Prinzipien, die wir gern in dieser Partei verbreitet hätten, erst einmal selbst zu leben. In dieser Beziehung sind wir nicht gescheitert Man kann es auch verstehen als eine Art Trennung von einer bestimmten Art zur Partei zu stehen, nämlich gläubig, so wie in einer orthodoxen Gemeinde.

Wir sind – und darüber haben wir ja vor zwei Jahren nochmals ausführlich debattiert – wir sind als IDS ein Zusammenschluss in der Partei. Hier muss man nicht Mitglied der Partei sein, aber in der IDS, und das weiß jeder, wird es immer wieder auch um diese Partei gehen, um DIE LINKE, hinter der manche einen Punkt sehen mögen, manche nicht.

Wir haben also zuletzt über den Parteitag in Göttingen diskutiert und wir haben unsere Meinung dazu kundgetan: „Vor und mit Göttingen drohte ein Rückfall in die Tradition. Diese Gefahr ist mit dem Ergebnis des Parteitags mitnichten ausgeräumt, aber Göttingen markiert zugleich eine Möglichkeit für eine zukunftsfähige Entwicklung“ lautet der letzte Satz unserer Erklärung. Das wirft selbst wieder Fragen auf. Die Linke verweist gewissermaßen auf Tradition und zugleich hat sie zu dieser ein gebrochenes Verhältnis: Sozialismus Ja – aber anders – jedenfalls nicht so wie der, der gewesen war. Und das heißt: unser Sozialismusbild ist ein Offenes.

Wird die neue Generation, die mit Göttingen die Verantwortung voll übernommen hat, eine Generation, die nirgendwo mehr unter den Verhältnissen eines wie auch immer realen Sozialismus sozialisiert wurde, sondern unter der Ägide des Neoliberalen, wird diese Generation die Spannung von Tradition und Moderne produktiv machen? Sozialismus im 21. Jahrhundert – was heißt das? Können sie und wir überhaupt die heutige Welt ansehen ohne durch die Brille unserer früheren Muster zu blicken?

In den letzten 20 Jahren ist die Welt sehr anders geworden als sie vordem war. 

Was bedeutet das aber? Was bedeutet die chinesische Herausforderung, die indische Herausforderung, die brasilianische Herausforderung? Oder die islamische Herausforderung. Oder auch die ökologische Herausforderung. Oder die der Informationsgesellschaft? Was für einen Kapitalismus haben wir denn? Oder was für verschiedene Kapitalismen? Und wer regiert eigentlich? Die Politik? Oder regieren Finanzmärkte und ein paar Ölkonzerne schon die Politik?

Wenn wir in kaum zehn Jahren vielleicht bereits neun Milliarden Menschen auf der Erde sein werden – was heißt das denn dann für eine linke Überzeugung, die ja die Gleichheit als Priorität setzt, dass doch jede und jeder einen Glücksanspruch habe – ganz zu schweigen vom Anspruch auf Wasser, saubere Luft, Energie usw. usf. ? Wenn in den noch immer gut situierten Ländern des Westens der Reichtum immer krasser verteilt wird, wenn immer weniger fast alles besitzen, wie kann dann Demokratie funktionieren wo doch schon die Werbekosten für eine beliebige Kampagne schwindelerregend sind.

Genau dann aber, wenn die Gesellschaft kompliziert, widersprüchlicher wird, kommen schnell die einfachen Antworten ins Spiel. Auf allen Seiten des politischen Spektrums ist das so. Differenziert zu denken zahlt sich nicht unbedingt aus. In den Wahlen werden Gewissheiten verkündet. Seit Schröder haben wir immer gehört, dass es nicht anders ginge als es geht. Frau Merkel macht allen, sogar anderen Völkern, für die sie überhaupt nicht zuständig ist klar, dass nur sie die richtigen Rezepte hat und wer sich nicht unterwirft wird geworfen. Die LINKE setzt – freilich auf der anderen Seite des Spektrums – diese Linie fort. Sie weiß alles genau entgegen gesetzt richtig. Je mehr wir uns den Wahlen nähern, um so gröber wird es...

Nicht leicht für Demokratischen Sozialismus, nicht leicht für Differenziertheit, nicht leicht für Fragen, nicht leicht für Kultur, für politische Kultur. Nachzudenken hat keine Konjunktur. Aber wäre es nicht gerade das, was eine Linke auszeichnen könnte?!!! Dass sie diese Eindimensionalität eben nicht mitmacht. Dann wäre die Arbeit einer IDS sinnvoll, nahezu lebensnotwendig.

Sie wäre eine Arbeit für ein ÜBERMORGEN. Ohne das Morgen auszublenden, denn
es ist natürlich nicht falsch, um die Macht der Gestaltung und Mitgestaltung zu ringen. und nicht falsch gewinnen zu wollen. Warum sollte man sonst kämpfen? Das Beste herausholen, die beste Position einnehmen. Allerdings nicht um jeden Preis

Der gewaltige Vorschuss, den die Linke bekam, ist weitgehend aufgebraucht. Die Enttäuschten wenden sich nicht unbedingt von der Hoffnung ab, aber wohl von ihrem Träger. Das konnten wir nicht ändern. Was wir konnten haben wir gemacht. Unsere Vorschläge waren immer an alle adressiert. Es ist notwendig, dass linkes Denken einen Ort hat. Nicht mehr und nicht weniger.

Bernd Rump
Anmerkung: Der vollständige Beitrag ist unter dem link http://www.bernd-rump.de/?page_id=72 zu lesen.